Die autoritäre „Linke“ im braunen Sumpf des Antizionismus

Preisfrage: Welcher der folgenden Slogans wurde auf der Demo der Freiburger „Studis gegen Rechts“ am 13.12.2024 in Freiburg gerufen und welche stammen von der Neonazipartei „Die Rechte“?

a) Alle gegen Zionismus
b) Israel ist unser Unglück
c) Terrorstaat Israel
d) Zionismus stoppen

Schwer zu entscheiden? Tatsächlich ist die Ähnlichkeit der Parolen keinesfalls zufällig, denn die „propalästinensischen“ Gruppen mit ihrer Hetze gegen Israel stehen in der Tradition des radikalen Antizionismus, der seine Wurzeln in der bürgerlichen Ideologie hat, im Vernichtungsantisemitismus der Nationalsozialisten gipfelt und nun von radikalislamistischen Kräften weitergeführt wird. So antibürgerlich, so antifaschistisch, so klassenkämpferisch Gruppen wie Students for Palestine, Revolutionäre Linke, Linksjugend etc. sich auch geben: Mit ihrem Gerede von einer „zionistischen Entität“ und einer „israelischen Besatzung Palästinas“ sprechen sie Israel die Existenzberechtigung ab; fordern mit der Parole „from the river to the sea“ das Ende des jüdischen Staates und mit dem damit einhergehenden Massenmord an Jüdinnen und Juden die Konsequenz dessen, woran der Nationalsozialismus mit Waffengewalt gehindert werden konnte.

Der Kern des antizionistischen Ressentiments besteht darin, dass Jüdinnen und Juden zum Staat nicht berechtigt und befähigt seien. Die bürgerliche Aufklärung lieferte dafür die Vorgabe: Immanuel Kant beispielsweise sprach Juden per se Moralität ab; mit dem Verweis auf kaufmännische Niedertracht und den kollektiven Partikularismus der Juden bildeten sie bloß eine „Nation von Betrügern“, die zur Staatsbildung nicht fähig seien. Auch in seiner Erkenntnistheorie geht Kant über das zeitgenössische Ressentiment hinaus, indem sein Werk auf einer Abspaltungslogik beruht, in welcher der Ausschluss von Juden wesenhaft ist.

Die Entfaltung von Wissenschaft, Kunst, Kapital und Nation nach 1750 transformiert den religiösen und philosophischen Antisemitismus in den modernen Antisemitismus der Neuzeit: Die Frage nach dem Gesunden führt zum Zerrbild des Kranken und biologisch Degenerierten, das Schöne zum Hässlichen, das Schöpferische zum Zersetzenden, der Volkswohlstand zur Krise, das Volk zur internationalen Verschwörung. Über den Sündenbock hinaus wird „der Jude“ zum Gegenbild der modernen Vergesellschaftung und deswegen widmete sich Adolf Hitler in seiner ersten überlieferten Rede 1920 dem Thema „Warum wir Antisemiten sind“, demzufolge der „ganze Zionistenstaat“ nichts anderes darstelle als die „letzte vollendete Hochschule ihrer internationalen Lumpereien“.

In der antisemitischen Ideologie der bürgerlichen Fortschrittsideologie gefangen waren auch die historischen Vorbilder jener „internationalistischen“ K-Gruppen, die die Arbeiter befreien wollten, dann aber beim autoritären Arbeitervolksstaat landeten. Nur wenige, wie Rosa Luxemburg und Franz Pfemfert, kritisierten, dass aus Nationalismus der Antisemitismus notwendig hervorgehe. Verbreiteter war dagegen in marxistisch-leninistischen Kreisen die Annahme, wie es die Parteivorsitzende der KPD, Ruth Fischer, formulierte, dass, wer „gegen das Judenkapital“ aufrufe, „bereits Klassenkämpfer“ sei. Auf Flugblättern der KPD hieß es 1924: „Nieder mit der Judenrepublik!“ 1927 erklärte die Parteizeitschrift Die Rote Fahne: Für die „schwachen Völker“ sei „der Fremde nur der Ausbeuter! Wenn ein derart getretenes Volk sich von seinen europäischen Parasiten zu befreien sucht, so ist das kein nationalistischer Fanatismus, sondern eine soziale Tat.“ Ein Jahr später galt der Roten Fahne gleich: „Zionismus – Kettenhund des englischen Imperialismus“. Die Linke hatte ihren Anteil an der antisemitischen Eskalation der 20er Jahre; Faschisten und Nationalsozialisten konnten sich in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg der Parolen der Linken bedienen, um diese bspw. zum „nationalen“ oder „preußischen Sozialismus“ (Arthur Moeller van den Bruck) zu transformieren und begrifflich umzudefinieren. An diese Querfrontkonstellation knüpften vermeintlich „internationalistische“ und „linke“ Gruppen in den 60er Jahren wieder an, agitierten gegen Israel wie die Berliner Tupamaros im Jahr 1969 in der von den Nationalsozialisten übernommenen Diktion, Gewalt gegen Juden sei bloße Notwehr: „Aus den vom Faschismus vertriebenen Juden sind selbst Faschisten geworden, die in Kollaboration mit dem amerikanischen Kapital das palästinensische Volk ausradieren wollen.“ 1969 wurde ein jüdisches Gemeindehaus in Berlin zu einem ersten linksradikalen Anschlagsziel, 1970 verbrannten sieben Überlebende der Shoah bei einem Anschlag dieser Gruppen auf ein jüdisches Altersheim in München.

Gemeinsam ist dieser Querfront der Hass auf den Westen, verdichtet im Bild des von den USA und Großbritannien protegierten „Siedlerstaates“ Israel. Mit realer Geschichte hat das nichts zu tun, wie der Publizist Karl-Heinz Gauß feststellt: „Um so weit zu kommen, Israel das Existenzrecht abzusprechen, musste aus dem Zionismus, der den jüdischen Staat als antikoloniale Bewegung geschaffen hatte, ein von Anbeginn wesenhaft kolonialistische Bewegung gemacht werden. War das einmal geschafft, dann brauchte man sich für die Gründungsjahre Israels, für die Pläne einer Koexistenz, die von den arabischen Despoten und den politischen Führeren der Palästinenser stets kompromisslos abgelehnt wurde, erst gar nicht zu interessieren.“ Die antiisraelische Propaganda biegt sich Geschichte nach Gutdünken zurecht und kommt dabei zu grotesken Ergebnissen im Fahrwasser der stalinistischen Propaganda seit den 50er Jahren. Dass die USA der Staatsgründung Israel sich gegenüber äquidistant verhielten, Israel dagegen anfangs von der Sowjetunion (aufgrund der sozialistischen Traditionen des Zionismus und der Hoffnung auf einen Satellitenstaat) unterstützt wurde – spielt keine Rolle. Der ägyptische Premierminister Mahmud an-Nukraschi Pascha begründete die Vertreibung der arabischen Juden 1948 übrigens keineswegs religiös oder nationalistisch, sondern politisch: „Alle Juden waren Zionisten […] und alle Zionisten waren Kommunisten.“ Weil Israel aber nicht wie gewünscht zum stalinistischen Satelliten wurde, wurden aus den „geschätzten kommunistischen Zionisten“ ganz schnell „verachtete zionistische Kolonisatoren.“ (Gauß) Dass die Hagana, also der bewaffnete Arm der zionistischen Kräfte, auch militärisch gegen die Kolonialmacht Großbritannien vorging – egal. Dass Israel als Vorbild für eine postkoloniale Staatsgründung galt und dementsprechend einige Dutzend afrikanische Staaten bis Ende der 60er Jahre enge Beziehungen mit Israel pflegten, wie zum Beispiel besonders der Kongo – interessiert die Aktivist*innen von heute doch nicht, wenn es darum geht, unter der Parole „Free Congo“ die Solidarität der unterdrückten Völker zu preisen.

Die „internationalistische“ Linke reproduziert in dieser Form nur die Antinomien der bürgerlichen Gesellschaft, die einerseits ein universales Tauschverhältnis im notwendig globalen Maßstab entwickelt, das sich andererseits im nationalen Rahmen in Form konkurrierender Nationalstaaten bildet. So kommt es zu der widersinnigen Formel, der internationale Klassenkampf möge doch Voraussetzung für den palästinensischen Nationalstaat schaffen: „Klassenkrieg, Klassenkrieg, Intifada bis zum Sieg“, wie im Palästina-Block auf der „Demo gegen Rechts“ in Freiburg am 22.2.2025 gerufen wurde und damit der Judenmord an zahllosen Zivilist*innen im Rahmen der Zweiten Intifada mit Selbstmordanschlägen als Vorbild gepriesen wird.

Verehrung der Hamas-Mörder: Ein Terrorist, vermummt mit Kufiya vor großem roten Dreieck. Dieser Sticker wird nicht öffentlich von Studi-Gruppen verteilt, findet sich aber vor allem in den und um die Räume der Universität Freiburg.

Dass die Ausgebeuteten kein „Vaterland“ haben können, wussten früher antinationale Marxisten; der „internationalistische“ Aktivist von heute sehnt sich nach dem Volksstaat in, wie von den Rechten vorformuliert, ethnisch definierter Gestalt, aber eingekleidet in das Gewand der jahrhundertelangen „Kultur“, die nun ihre rechtmäßige Staatsform erhalten müsse. Der Gleichklang faschistischer wie palästinensischer Rhetorik hört da aber nicht auf: „Hands off the Middle East“ heißt es bei den Demos der Students for Palestine und Palästina Spricht, wenn Israel sich gegen die Hezbollah oder der Todesdrohung Irans zur Wehr setzt. Bei den Björn Höckes und Götz Kubitscheks im faschistischen Lager klingt es da schon etwas gehobener, sie fordern mit Carl Schmitt schon lange das „Interventionsverbot raumfremder Mächte“.

Die Zeitrechnung der Gruppen um Palästina Spricht und der neoautoritären K-Gruppen wie Revolutionäre Linke, Linksjugend etc. beginnt erst um 1948 – wie aus dem Nichts setze mit der israelischen Staatsgründung die Nakba, die andauernde Vertreibung der Palästinenser*innen, ein. Die Verdrängung der Geschichte ist keinesfalls zufällig, sondern konstitutiv, um die historische Besonderheit Israels zu negieren und diesen zu einem kolonialistischen Siedlerstaat umzulügen. Kein Wort davon, dass Palästina die Stätte des historischen Israels ist, Jüdinnen und Juden nach der römischen Besatzung vertrieben wurden; Schweigen über die Arabisierung und Islamisierung im Mittelalter, um die Illusion eines historisch gewachsenen Palästinas aufrechtzuerhalten. Ebenso verschwiegen werden die historischen Erfahrungen, die zur Gründung Israels führen: fehlende rechtliche Gleichstellung in muslimischen Ländern, Pogrome, schließlich die Vernichtungspolitik in Europa und das Bündnis der Nationalsozialisten mit radikalen Muslimen wie dem Obermufti von Jerusalem Mohammed Amin al-Husseini, der in den 40er Jahren in Berlin lebte. Der Plan von SS-Truppen und arabischen Hilfsmilizen, nach der Eroberung Palästinas dort alle Jüdinnen und Juden zu töten, konnte nur durch die militärische Niederlage Nazideutschlands verhindert werden.

Die Vernichtungslust, die sich bereits 1948 in der Hoffnung entlud, die „Juden ins Meer zu treiben“, wie ihnen dann im Mai 1967 von dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser öffentlicht gedroht wurde, zeigt sich auch heute wieder in der unverhohlenen Mordlust der Täter des 7.10.2023 und ihrer Apologeten, die dem verhassten Staat Israel endlich den Garaus machen wollen. So nimmt es nicht Wunder, dass in der Agitation keinerlei Wort darüber verloren wird, wie ein zukünftiger palästinensischer Staat denn überhaupt aussehen soll; die Sehnsucht „from the river to the sea“ speist sich nicht aus einer wie auch immer gearteten Utopie, sondern dem Wunsch nach Vernichtung des jüdischen Staates bis in die Sprache der Freiburger Aktivist*innen, die geprägt ist von Entsublimierung, Triebabfuhr und Gewaltlust: „weißen Feminismus töten“ (Demo zum Aktionstag gegen Gewalt an Frauen), „Klassenkrieg bis zum Sieg“ und die von Students for Palestine im Studierendenrat der Universität Freiburg geäußerte Schuldabwehr, dass alle – auch jüdischen – Toten am 7.10.2023 letztendlich auf das Konto der Juden selber gingen.

Von Gaza nach Littenweiler – Hamas-Propaganda im Pali-Camp vor der Musikhochschule – Aufrufe zur Feindmarkierung durch rote Dreiecke und Judenmord durch Student-“Intifada“-Sticker.
Quelle: Screenshots von instagram.com/take.position.mh

Ziel der Bewegung ist die Zerstörung Israels und damit – nach Stand der Dinge, wie es der als „Widerstandsakt“ geadelte 7.10.2023 gezeigt hat – die Tötung und Vertreibung der dort lebenden Jüdinnen und Juden. Koexistenz und friedliche Beziehungen Israels mit seinen Nachbarn, bsp. ausgedrückt durch die Abraham-Accords mit Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Sudan, sind nicht gewünscht: Auf der „Großdemo Freiburg United4Gaza“ auf dem Stühlinger Kirchplatz am 11.07.2025 ließ die Rednerin der Revolutionären Linken unter Jubel des Publikums vernehmen: „Wir verurteilen die Regime in der Region, die ihre Beziehung mit der israelischen Besatzung normalisieren. Diese Regierungen vertreten nicht ihre Menschen, sondern Kapital und Imperialismus“, d.h. sie fordert die Fortführung des ewigen Krieges gegen Israel. Der wird in der Region von islamistischen Kräften wie der Hamas, der Hezbollah, den Houthis und der Islamischen Republik Iran geführt, die ihre Macht aufrechterhalten, indem sie ihre eigene Bevölkerung blutigst terrorisieren. Nichts davon wird in den Beiträgen gegen Israel auch nur erwähnt. So wundert es nicht, dass in dem anschließenden Aufruf gegen „Kapital“, „Imperialismus“, „Unterdrückung“ die Nennung des Islamismus fehlt, dessen antizionistische Rhetorik man sich längst zu eigen gemacht hat. Die Nähe zum radikalen Islamismus zeigt sich auch in der Einladung des Hamas-Sympathisanten Mahmud Abu-Odeh als Redner.

Students for Palestine und die zahlreichen Umfeldorganisationen in der autoritären Linken arbeiten wie rechtsextreme Kräfte mit den Mitteln der Umdeutung, selektiven Geschichtsschreibung, Gewaltrhetorik und Denunziation, um, ganz zeitgenössisch gesprochen, „disruptiv“ den Staat Israel zu zerstören. Wer, wie die Freiburger „Studis gegen Rechts“ oder die „Linksjugend“, keine Parallelen zum Faschismus und Islamismus sieht, sondern dieser Agitation auch noch Raum bietet, ist mitschuldig an der immer prekärer werdenden Situation von Jüdinnen und Juden in Deutschland und verrät diejenigen Kräfte, wie Kurd*innen und Jezid*innen, die in der Region Opfer des Islamismus sind. Die antisemitische Agitation zeigt längst Wirkung: Wer sich in linken Zusammenhängen bei antisemitischen Übergriffen mit den Betroffenen solidarisch erklärt, wird mit dem Hinweis auf „Gaza“ angegangen, wortlos aus Chatgruppen entfernt und der Mitwirkung am Genozid beschuldigt. Der Anschlag auf das Freiburger Restaurant „Jaffa“, benannt nach dem arabisch-jüdischen Teil Tel Avivs, am 20.7.2025 ist eine traurige Folge auch der Zunahme des Antisemitismus in der linken Bewegung.


Auflösung der Preisfrage:
a): „Studis gegen Rechts“
b) und c): „Die Rechte“
d) „Studis gegen Rechts“ und „Die Rechte“



Juli 2025

Zur Druckversion