„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“

(T. W. Adorno, 1966)

Das „Freiburger Bündnis Gegen Antisemitismus“ (FRBGA) gründete sich als Reaktion auf den 7. Oktober 2023. Bei dem größten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah wurden an einem Tag über 1.100 Menschen bestialisch ermordet, über 5.400 Menschen verletzt, verstümmelt, missbraucht und mindestens 250 Menschen (tot oder lebendig) in den Gazastreifen verschleppt.

Uns erschütterten die ausbleibende Solidarität, der unmittelbar einsetzende offene Hass und die unverhohlene Freude über den Terrorangriff der Hamas und verbündeter Gruppierungen. Nahezu keine Solidaritätsbekundungen aus dem Kulturbetrieb zu dem barbarischen Überfall auf das Nova-Festival, keine Mahnwachen der selbsternannten Friedensinitiativen zu den Gräueltaten in den Kibbuzim und an den Friedensaktivist:innen vor Ort, aus feministischen Kreisen keine wahrnehmbare Verurteilung der sexualisierten Gewalt. Im Gegenteil: Das „dröhnende Schweigen“ wurde nahtlos von einer Täter-Opfer-Umkehr abgelöst, noch bevor die IDF (Israel Defence Forces) einen Fuß in den Gazastreifen setzte. Selbst die von Hamas-Kämpfern gefilmten und ins Netz gestellten Videos wurden ignoriert oder aktiv verdrängt.

Diese Reaktionen haben uns nicht verwundert, aber in ihrem Ausmaß überrascht. So fanden wir uns als diverses Bündnis von Einzelpersonen und Gruppen zusammen, um unsere Arbeit gegen Antisemitismus zu vernetzen und eine Solidaritätsplattform für Jüdinnen und Juden aufzubauen. Wir orientieren uns an der, obgleich auch bei uns diskutierten, Arbeitsdefinition der IHRA (International Holocaust Remembrance Alliance) zum Begriff des Antisemitismus. In unserem Bündnis findet sich ein breites Spektrum an politischen Positionen und Gründen für unser Engagement, dabei eint uns der Antifaschismus und unser Einsatz für eine freie, emanzipatorische Gesellschaft.

Der Antisemitismus hat in Deutschland eine lange Tradition. Die NSDAP berief sich auf den im 19. Jahrhundert von Wilhelm Marr erfundenen Begriff des „Antisemitismus“ und manifestierte in ihm ihre Ablehnung der Moderne und all dessen, was sie darunter verstand: Marxismus, Aufklärung und feministische Emanzipation vom Patriarchat. Das Einschwören auf die „Volksgemeinschaft“ mittels Verfolgungswahn und Führerkult, Rassismus und Antisemitismus führt zwangsläufig zur Ausgrenzung und Unterdrückung „der Anderen“, der Jüdinnen und Juden als „Gegenrasse“ und legt damit das Fundament für die industrialisierte Barbarei der deutschen Vernichtungslager. Diese gesellschaftliche Kontinuität erfuhr auch nach 1945 keinen Bruch, sondern wird in der Neuen Rechten aktiv fortgeführt und findet sich heute in der Ideologie der AfD und im christlichen Fundamentalismus wieder – und erhält millionenfachen Zuspruch in der deutschen Gesellschaft.

Parallel zum europäischen Antisemitismus – und durch diesen beeinflusst – entstand ein islamischer Antisemitismus, geprägt durch bis heute relevante islamistische Vordenker wie Sayyid Qutb, Hasan al-Banna (beide Begründer der sunnitischen Muslimbruderschaft) und Mohammed Amin al-Husseini, der engsten Kontakt zur NSDAP pflegte. Sie alle riefen bereits in den 1920er Jahren zu Pogromen gegen Jüdinnen und Juden in Ägypten und dem britischen Mandatsgebiet Palästina auf. Die iranische Revolution 1979 verhalf andererseits dem schiitischen Islam zu großem Einfluss. Sowohl die Muslimbruderschaft als auch die Islamische Republik Iran begründen ihren Antisemitismus nicht nur mit einer antimodernen, fanatisch-religiösen Ideologie, sondern berufen sich auch auf die Verschwörungserzählungen der sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“, die in Russland im 19. Jahrhundert als antisemitische Propagandaschrift erfunden wurden.

Nach jahrhundertelanger Verfolgung, Ausschluss, Pogromen, Ermordung und Vertreibung der Jüdinnen und Juden in Europa, welche in der Shoah gipfelten, wurde Israel 1948 gegründet und sofort zum Ziel aller Antisemit:innen. Noch am selben Tag griffen die umliegenden arabischen Nationen den neuen Staat mit dem Ziel der Vernichtung an. In den darauffolgenden Jahren wurden bis zu einer Million Jüdinnen und Juden aus ihrer Heimat von Marokko bis Iran vertrieben und fanden vor allem in Israel Zuflucht. Im Zuge des Krieges von 1948 kam es zu Flucht und Vertreibung von ca. 700.000 arabischen Palästinenser:innen in die angrenzenden Länder, das sogenannte Westjordanland und den Gazastreifen. Das Scheitern der doppelten Staatsgründung 1948 führte zu einer Jahrzehnte dauernden Geschichte militärischer Konfrontation und ungeklärter Status- und Flüchtlingsfragen, die nur in einer Form der Koexistenz gelöst werden können. Islamist:innen und palästinensische Nationalist:innen setzen dagegen auf die Zerstörung Israels.

Seit den 1960er Jahren solidarisieren sich linke Antisemit:innen und autoritäre Gruppen leninistischer bis maoistischer Ausrichtung mit dem sogenannten antiimperialistischen Befreiungskampf völkisch-nationalistischer Terrorgruppen und ignorieren deren autoritären bis faschistischen Charakter kommentarlos.

Ähnlich wie beim auf völkischen Verschwörungserzählungen basierenden Judenhass der extremen Rechten, sehen linke Antisemit:innen in Israel das Böse schlechthin und projizieren ihre Kritik an den bestehenden Verhältnissen auf den einzigen jüdischen Staat. Das zeigte sich auf verschiedenen linken Veranstaltungen vor allem seit dem 07.10.2023 – auch in Freiburg.

In weiten Teilen der Linken, zu welcher sich auch Teile unseres Bündnisses zählen, wird dieser Antisemitismus leider ignoriert. So sehen wir hier eines unserer wichtigsten Betätigungsfelder: Dem entgegenzuwirken, dass auf komplexe Fragen immer nur die scheinbar einfachsten Antworten gesucht werden. Dies hat Geschichte: Bereits in den 1930er Jahren versuchten sich Agitator:innen der kommunistischen Bewegung durch offenen Antisemitismus bei der entstehenden Bewegung der Nationalsozialisten zum Zwecke einer Querfront anzubiedern. Die linke Terrorgruppe „Tupamaros West-Berlin“ verübte 1969 den ersten versuchten Mord-Anschlag in Deutschland nach 1945 auf eine Synagoge.

Und auch heute teilt der linke Antisemitismus eine personalisierende und daher falsche Kapitalismuskritik und Verschwörungserzählungen. Durch ahistorische Mythen über die Staatsgründung Israels kommt es unter dem Deckmantel eines vorgeschobenen Antikolonialismus und Antirassismus immer wieder zu – auch physischen – Angriffen.

Als Freiburger Bündnis Gegen Antisemitismus wollen wir über die genannten und weitere Themen informieren – und gerne auch kontrovers diskutieren. Wir sind solidarisch mit allen Jüdinnen und Juden und solidarisch mit dem einzigen real existierenden Schutzraum für diese: dem Staat Israel. Die Geschichte der Aggressionen und Kriege nach 1948 zeigt, dass ein Frieden erst existieren kann, wenn dessen Existenz nicht in Frage gestellt wird.

In diesem Sinne:

Gegen jeden Antisemitismus!

Freiburger Bündnis Gegen Antisemitismus, April 2025

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